Brandenburg

Bahn & Bus, Bahnhofsgestaltung, Radverkehr, Mobil auf dem Land, Pressemitteilung
Kreisgruppe Oberhavel

Test aller 30 Bahnstationen im Kreis fällt überwiegend positiv aus

Vor-Ort-Check des Verkehrsclub Deutschland offenbart aber auch gravierende Mängel

Oberhavel, den 19. Mai 2020. Die Mehrzahl der Bahnhöfe im Landkreis Oberhavel ist in einem akzeptablen oder guten Zustand. Zu diesem Ergebnis kommt der Verkehrsclub Deutschland (VCD) in einem umfassenden „Vor-Ort-Bahnhofstest“.

„Wir sind positiv überrascht von der Qualität vieler Bahnhöfe und Haltepunkte im Landkreis. Von den 30 Bahnstationen sind lediglich sieben in einem unbefriedigenden oder schlechten Zustand“, sagte der Sprecher der VCD-Kreisgruppe Oberhavel, Dirk Flege am Dienstag.

Der gemeinnützige Umwelt- und Verbraucherverband hat sämtliche Bahnhaltepunkte in Oberhavel aus der Reisendenperspektive bewertet und je Bahnhof eines von drei Qualitäts-Prädikaten vergeben. Die Vor-Ort-Tests fanden vom 25. April bis zum 10. Mai dieses Jahres statt. „Viele Bahnsteige sind in den vergangenen Jahren erneuert und etliche Vorplätze kundenfreundlicher gestaltet worden“, sagte Flege. So seien mittlerweile 93 Prozent der Bahnsteige stufenfrei erreichbar und 73 Prozent der Stationen mit überdachten Fahrradabstellmöglichkeiten ausgestattet.

Die größten Schwachpunkte sind laut VCD-Kreisgruppe die fehlende Wegweisung zum Bahnhof innerhalb der Ortschaften und eine häufig unzureichende Busanbindung. Flege: „Nur jede zweite Bahnstation hat im Umkreis von 100 Metern eine Bushaltestelle. Das ist erschreckend wenig und für Menschen, die ohne Auto mobil sein wollen oder müssen, eine Zumutung.“ Er forderte den für den Busverkehr verantwortlichen Landkreis und die Kommunen auf, „Bus und Bahn zusammenzuführen und gemeinsam ein attraktives Mobilitätsangebot aus einem Guss zu schaffen“.

Über ein für Reisende zugängliches Bahnhofsgebäude verfügen lediglich acht der 30 Bahnstationen in Oberhavel. „Die Deutsche Bahn hat die Mehrzahl der Bahnhofsgebäude in Brandenburg veräußert, einige dieser ehemaligen Bahnhöfe gleichen eher Ruinen als Empfangsgebäuden“, sagte der Sprecher der VCD-Kreisgruppe. So sei etwa in Gransee das ehemalige Bahnhofsgebäude „die optische Kehrseite des ansonsten vorbildlich renovierten Haltepunktes“.

In Fürstenberg gebe es dank eines Privatinvestors wieder ein „sehr ansehnliches Bahnhofsgebäude“, sagte der stellvertretende Sprecher der VCD-Kreisgruppe, Christoph Rudel. Hier sind laut Rudel „die Bahnsteige das Problem“. „Sämtliche Züge fahren von einem Bahnsteig ab, der nur per Unterführung und viele Stufen zu erreichen ist und das, obwohl die Züge mit mehr gutem Willen auch am stufenfrei zugänglichen Bahnsteig direkt am Bahnhofsgebäude halten könnten“, kritisiert Rudel, der sich seit Jahren für einen barrierefreien Bahnhof in seiner Heimatstadt engagiert. Rudel: „Für diese Halte müsste das Dach über dem Hausbahnsteig repariert werden, was die Deutsche Bahn seit vielen Monaten versprochen hat.“

Einige Bahnhöfe im Landkreis stellen den stufenfreien Zugang zu den Bahnsteigen über Aufzüge her, etwa in Hennigsdorf. Der Fußgängertunnel unter den Gleisen ist ebenerdig und preisgekrönt. Wegen seines innovativen Lichtkonzepts gewann er 2001 den Renault Traffic Design Award. „Aufzüge haben im Unterschied zu Rampen den Nachteil, dass sie für längere Zeit ausfallen können. Das ist leider in Hennigsdorf am S-Bahnsteig derzeit wegen Bauarbeiten der Fall und zwar für schwer nachvollziehbare drei Monate am Stück“, sagte die stellvertretende Sprecherin der VCD-Kreisgruppe, Petra Röthke-Habeck. „Obwohl fehlende Stufenfreiheit normalerweise bei unserem Test ein K.O.-Kriterium ist, hatte der Bahnhof Glück: Der Vor-Ort-Test fand am 25. April statt – gut eine Woche vor Beginn der Bauarbeiten.“

Pech hatte dagegen der Oranienburger Bahnhof. Zum Testzeitpunkt war die Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes noch in vollem Gang und der neue Busbahnhof noch nicht fertig, so dass Oberhavels einziger Fernverkehrsbahnhof lediglich auf ein „akzeptabel“ kam. VCD-Sprecher Dirk Flege: „Der Bahnhof hat das Potenzial für mehr. Nach Abschluss der Bauarbeiten könnte er in die Spitzengruppe aufrücken.“

> Hier geht´s zu den Testergebnissen

 

FAQs

Welche Bahnhöfe und Haltepunkte wurden getestet?

Alle 30 Bahnhöfe und Haltepunkte im Landkreis Oberhavel. Bei 27 von ihnen ist die Deutsche Bahn das Eisenbahninfrastrukturunternehmen, bei dreien die Niederbarnimer Eisenbahn.

Wie wurde getestet?

In Vor-Ort-Tests mit Bahnhofsbegehung und Umfelderkundung.

Was wurde getestet?

Die Beschilderung zum Bahnhof; die Verknüpfung mit Bushaltestellen; Fahrrad- und Kfz-Parkmöglichkeiten; der optische Eindruck des Bahnhofs und seines Umfeldes; die stufenfreie Erreichbarkeit der Bahnsteige sowie die Ausstattung an den Bahnsteigen (Fahrplaninformation, Sitzgelegenheiten, Wetterschutz etc.).

Was ging noch mit in die Bewertung ein?

Positive Besonderheiten wie gastronomisches Angebot, Toiletten, Ladestation für E-Autos, Bike-Tool-Säule usw. Sofern auffällig, spielte auch die Atmosphäre und das subjektive Wohlbefinden oder Unwohlsein eine Rolle.

Was wurde nicht getestet?

Das Fahrplanangebot bei Bus und Bahn. Sprich: Wie häufig oder selten Züge und Busse fahren, wurde nicht in die Bahnhofsbewertung mit einbezogen. Auch die Pünktlichkeit nicht. Ebenfalls nicht getestet wurde, ob der Zugang vom Bahnsteig in den Zug barrierefrei möglich ist.

Was ist der Unterschied zwischen „stufenfrei“ und „barrierefrei“?

Wenn der Zugang zum Bahnsteig möglich ist, ohne Stufen überwinden zu müssen, ist er „stufenfrei“. Barrierefreiheit im umfassenden Sinne ist allerdings mehr als diese Stufenfreiheit. Für eine barrierefreie Zugfahrt im umfassenden Sinne muss die gesamte Reisekette so organisiert sein, dass alle mobilitätseingeschränkte Reisende wie Rollstuhlfahrer, Blinde oder Gehörlose den Zug allein benutzen können.

Ist der Anteil der stufenfrei erreichbaren Bahnsteige in Oberhavel gut oder schlecht?

Gut. Mit einem Anteil von 93 Prozent liegt Oberhavel deutlich über dem Bundesdurchschnitt (83,5 Prozent) und leicht über dem Landesdurchschnitt in Brandenburg (91 Prozent), siehe https://bit.ly/2ZhD7i2

Warum sind nicht alle getesteten Kriterien in der Ergebnistabelle enthalten?

Nicht bei allen Kriterien kann man mit „ja = gut“, „nein = schlecht“ arbeiten. Ein Beispiel: Die fehlende („nein“) Straßen-Ausschilderung eines gut sichtbaren Bahnhaltepunktes an einer kilometerlangen Straße zwischen zwei Ortschaften ist kein Manko, die fehlende Beschilderung an einer innerstädtischen Hauptstraße zum Bahnhof sehr wohl.

Wer hat die Bahnhöfe und Haltepunkte getestet?

Vorstandsmitglieder des Verkehrsclub Deutschland (VCD) e.V., Kreisgruppe Oberhavel, die alle selbst in Oberhavel wohnen und regelmäßig die Bahn nutzen.

Wann wurden die Bahnhöfe und Haltepunkte getestet?

Zwischen dem 25. April und dem 10. Mai 2020.

Hat es einen vergleichbaren Test schon einmal gegeben?

Zumindest in den vergangenen 15 Jahren nicht. Zwar lässt auch der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) in unregelmäßigen Abständen Bahnhöfe testen. Diese Tests beziehen aber nicht alle Bahnhöfe und Haltepunkte in Oberhavel mit ein und erstrecken sich lediglich auf die Funktionalität und Ausstattung der Bahnsteige. Die Busanbindung, Kfz- und Fahrradstellplätze sowie das Bahnhofsumfeld bleiben bei den VBB-Tests außen vor.

Was passiert mit den Ergebnissen?

Die Ergebnisse des VCD-Bahnhofstests werden auf der Webseite der Kreisgruppe (https://brandenburg.vcd.org/der-vcd-in-brandenburg/kreisgruppe-oberhavel/) veröffentlicht. Auch wird der Vorstand der VCD-Kreisgruppe Verantwortliche in Kommunen und beim Landkreis sowie den beiden Eisenbahninfrastrukturunternehmen anschreiben und konkrete Verbesserungsvorschläge unterbreiten.

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